Standards

Die hausärztliche Tätigkeit wird immer stärker durch die anzuwendenden allgemeinmedizinischen Standards und Leitlinien geprägt.

Charta zur ärztlichen Berufsethik
Die Charta zur ärztlichen Berufsethik ist die Basis der permanenten Optimierung sämtlicher Abläufe der allgemeinmedizinischen Versorgung.

American Board of Internal Medicine, American Society of Internal Medicine, American College of Physicians, European Federation of Internal Medicine – 2002

Grundlegende Prinzipien

1. Das Primat des Patientenwohls
Dieses Prinzip basiert auf der grundsätzlichen Verpflichtung, den Interessen des Patienten zu dienen. Altruismus trägt zu dem Vertrauen bei, das im Mittelpunkt des Arzt-Patienten-Verhältnisses steht. Ökonomische Interessen, gesellschaftlicher Druck und administrative Anforderungen dürfen dieses Prinzip nicht unterlaufen.

2. Das Selbstbestimmungsrecht des Patienten
Ärzte haben das Selbstbestimmungsrecht des Patienten grundsätzlich zu respektieren. Sie müssen ihren Patienten gegenüber aufrichtig sein und diese darin unterstützen, sich zu informieren und sachgerechte Entscheidungen über ihre Behandlungen zu fällen. Die Entscheidungen des Patienten über ihre Behandlungen sind oberstes Gebot, solange sie mit ethischen Prinzipien vereinbar sind und nicht mit unangemessenen Ansprüchen verbunden sind.

3. Die soziale Gerechtigkeit
Die Ärzteschaft ist aufgerufen, Gerechtigkeit im Gesundheitswesen zu fördern. Dies schließt die faire Verteilung der zur Verfügung stehenden Mittel ein. Ärzte sollen sich aktiv daran beteiligen, Diskriminierungen im Gesundheitswesen auszumerzen. Dies bezieht sich auf die ethnische Herkunft, das Geschlecht, den Sozialstatus, die Religion oder auf jede andere gesellschaftliche Kategorie.

Ärztliche Verantwortlichkeiten

1. Verpflichtung zur fachlichen Kompetenz

Ärzte müssen sich zu einem lebenslangen Lernen verpflichten. Sie sind selbst für den Erhalt der Kenntnisse und Fertigkeiten verantwortlich, die zur Beibehaltung der Versorgungsqualität erforderlich sind. In Erweiterung dieser Grundsätze muss die Ärzteschaft als Ganzes bemüht sein, dass alle ihrer Mitglieder die fachliche Kompetenz aufrecht erhalten, und sie muss sicherstellen, dass für die Ärzte angemessene Möglichkeiten geboten werden, dieses Ziel zu erreichen.

2. Verpflichtung zur Wahrhaftigkeit im Umgang mit Patienten
Ärzte müssen sicherstellen, dass ihre Patienten vollständig und wahrheitsgemäß informiert sind, bevor diese einer Behandlung zustimmen, und erneut nachdem die Behandlung durchgeführt wurde. Hiermit ist nicht gemeint, dass der Patient in jede kleine ärztliche Einzelentscheidung eingebunden sein muss. Wichtig ist vielmehr, dass der Patient ermutigt wird, über den generellen therapeutischen Ablauf mit zu entscheiden.

Ärzte müssen grundsätzlich eingestehen, dass gelegentlich medizinische Irrtümer vorkommen, die zur Schädigung des Patienten führen können. Immer wenn Patienten als Folge einer medizinischen Maßnahme zu Schaden kommen, sollten sie sofort hierüber informiert werden, weil eine Unterlassung dieser Information das Vertrauen des Patienten und der Gesellschaft erheblich belasten würde. Meldungen und Analysen medizinischer Fehler stellen die Grundlage für Strategien zur Fehlervermeidung sowie zur angemessenen Entschädigung der Patienten dar.

3. Verpflichtung zur Vertraulichkeit
Offenheit und Vertrauen der Patienten machen es erforderlich, angemessene Maßnahmen zu ergreifen, mit denen eine Vertraulichkeit bezüglich aller Informationen durch den Patienten sichergestellt wird. Diese Verpflichtung erstreckt sich auch auf Gespräche mit Personen, die für den Patienten handeln, wenn es nicht möglich ist, das Einverständnis des Patienten selbst zu erhalten.

Die Verpflichtung zur Vertraulichkeit ist heute wichtiger als je zuvor, vor allem wegen der breiten Verwendung elektronischer Medien bei der Sammlung der Informationen über den Patienten. Ein weiterer Grund ist die zunehmende Verfügbarkeit von genetischen Daten. Ärzte müssen andererseits anerkennen, dass die Verpflichtung zur Vertraulichkeit gelegentlich im öffentlichen Interesse hinter andere wichtige Verpflichtungen zurückzutreten hat, z.B. wenn eine Gefährdung anderer Menschen durch den Patienten droht.

4. Verpflichtung zur Pflege angemessener Beziehungen zum Patienten
Angesichts der grundsätzlich bestehenden Verletzlichkeit und Abhängigkeit von Patienten müssen bestimmte Beziehungen zwischen Ärzten und Patienten unbedingt vermieden werden. Insbesondere dürfen Ärzte niemals ihre Patienten zur Vornahme sexueller Handlungen, zur Erzielung persönlicher finanzieller Vorteile oder zu anderen privaten Zielen ausnutzen.

5. Verpflichtung zur ständigen Qualitätsverbesserung
Ärzte müssen sich einer ständigen Verbesserung der Qualität der medizinischen Versorgung verpflichtet fühlen. Diese Verpflichtung bezieht sich nicht nur auf den Erhalt der persönlichen Kompetenz, sondern auch auf eine Zusammenarbeit mit Kollegen oder mit anderen Berufsgruppen. Ziele müssen dabei die Verminderung ärztlicher Fehler, die Steigerung der Patientensicherheit, die Reduzierung einer Überversorgung mit Vergeudung finanzieller Mittel sowie die Optimierung der Therapieerfolge sein.

Ärzte müssen sich aktiv an der Entwicklung besserer Instrumente zur Beurteilung der medizinischen Qualität beteiligen sowie zur routinemäßigen Anwendung dieser Instrumente der Qualitätsmessung bei Einzelpersonen, Institutionen oder sonstigen mit der Gesundheitsversorgung betrauten Einrichtungen. Ärzte müssen sich also persönlich und über ihre Standesorganisationen für die Unterstützung bei der Entwicklung und der Anwendung von Maßnahmen zur ständigen Qualitätsverbesserung im Gesundheitswesen verantwortlich fühlen.

6. Verpflichtung zum Erhalt des Zugangs zu medizinischen Leistungen
Die ärztliche Berufsethik fordert, dass das Ziel aller medizinischen Versorgungssysteme vor allem darin bestehen muss, einen einheitlichen und angemessenen Versorgungsstandard zu bieten. Ärzte müssen sich individuell und als Gruppe darum bemühen, Gerechtigkeit in der Gesundheitsversorgung zu erreichen.

In allen Gesundheitssystemen müssen Ärzte daran arbeiten, Zugangsbarrieren durch Erziehung, Gesetze, Finanzen, geographische Herkunft oder soziale Diskriminierung zu beseitigen. Die Bemühungen um Gerechtigkeit schließen die Förderung von öffentlicher Gesundheitsversorgung und von präventiven Maßnahmen ein. Jeder Arzt hat diesbezüglich im öffentlichen Interesse zu handeln, wobei Eigeninteressen oder Interessen seiner Berufsgruppe keine Rolle spielen sollten.

7. Verpflichtung zur gerechten Verteilung begrenzter Mittel im Gesundheitswesen
Bei der Berücksichtigung der Bedürfnisse individueller Patienten müssen Ärzte eine Gesundheitsversorgung anbieten, die auf einem klugen und effektiven Einsatz der begrenzten Mittel beruht. Sie müssen mit anderen Ärzten, Krankenhäusern und Versicherungen zusammenarbeiten, um Leitlinien für eine kosteneffektive Versorgung zu entwickeln. Die Verantwortung für einen angemessenen Einsatz der Mittel erfordert eine konsequente Vermeidung von überflüssigen Untersuchungen und Behandlungen. Der Einsatz überflüssiger Maßnahmen setzt nicht nur den Patienten einer vermeidbaren Gefährdung aus, sondern vermindert auch die für andere Patienten zur Verfügung stehenden Mittel.

8. Verpflichtung zur Nutzung wissenschaftlicher Erkenntnisse
Der Kontrakt zwischen Medizin und Gesellschaft beinhaltet auch die angemessene Berücksichtigung wissenschaftlicher Erkenntnisse und neuer Technologien. Ärzte haben die Pflicht, wissenschaftliche Standards aufrecht zu halten, Forschung zu fördern, neue Erkenntnisse zu gewinnen und deren angemessenen Gebrauch sicherzustellen. Die Ärzteschaft ist für die Richtigkeit dieser Erkenntnisse, die sowohl auf wissenschaftlicher Evidenz als auch auf ärztlicher Erfahrung beruhen, verantwortlich.

9. Verpflichtung zum angemessenen Verhalten bei Interessenskonflikten
Ärzte und deren Organisationen haben viele Gelegenheiten, durch Erzielung privaten Gewinns oder persönlicher Vorteile ihre ethische Verantwortung zu kompromittieren. Solche Kompromittierungen sind besonders bedrohlich bei persönlicher oder institutioneller Verflechtung mit einer gewinnorientierten Industrie, seien es Medizingeräte-Hersteller, Versicherungen oder die Pharmaindustrie.

Ärzte haben die Verpflichtung, Interessenskonflikte, die im Laufe ihres Berufslebens und sonstiger Aktivitäten auftreten, zu erkennen, diese gegenüber der Öffentlichkeit kundzutun und in angemessener Weise beizulegen. Verbindungen zwischen der Industrie und ärztlichen Führungskräften (opinion leader) müssen bekannt gemacht werden, insbesondere wenn letztere die Kriterien für klinische Prüfungen und deren Publikationen festlegen, wenn sie Editorials oder Leitlinien verfassen oder als Herausgeber wissenschaftlicher Zeitschriften fungieren.

10. Verpflichtung zur kollegialen Verantwortung
Als Mitglieder eines Berufsstandes muss von Ärzten erwartet werden, dass sie bei der Patientenversorgung kollegial zusammenarbeiten, respektvoll miteinander umgehen, sich am Prozess der Selbstkontrolle beteiligen und dabei auch Kollegen, die sich von gültigen ethischen Standards entfernt haben, korrigieren oder disziplinieren. Die Standesorganisationen sollten für gegenwärtige oder zukünftige Ärzte die Prinzipien der Weiterbildung und die Prozesse zur Beschreibung von Standards definieren und organisieren. Ärzte haben sowohl eine persönliche als auch eine kollektive Verpflichtung, sich an solchen Prozessen zu beteiligen. Diese Verpflichtungen schließen eine Mitwirkung bei internationalen Vergleichen und eine Akzeptanz externer Vergleiche bezüglich aller Aspekte der beruflichen Tätigkeit ein.

 

ÖQM® – Österreichisches Qualitätsmanagementsystem
ÖQM® ist ein ganzheitliches Führungskonzept, das die Leitung der Praxis dabei unterstützt, ihr Unternehmen langfristig und nachhaltig erfolgreich zu positionieren und zu führen.

CIRSmedical
CIRSmedicalist ein Berichts- und Lernsystem der Österreichischen Ärztekammer, das der Verbesserung unseres Gesundheitssystems dient.

Ärztliches Zentrum für Qualität in der Medizin (ÄZQ)
Das ÄZQ ist ein deutsches Kompetenzzentrum für medizinische Leitlinien, Patient*inneninformationen, Patient*innensicherheit, Evidenzbasierte Medizin und medizinisches Wissensmanagement.

arznei-telegramm
Der Informationsdienst arznei-telegramm informiert unabhängig und neutral Ärzt*innen, Apotheker*innen und andere Heilberufe über Nutzen und Risiken von Arzneimitteln.

Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V. (AWMF)
In der AWMF sind derzeit 158 wissenschaftliche Fachgesellschaften aus allen Bereichen der Medizin zusammengeschlossen; es werden u. a. Leitlinien für Diagnostik und Therapie publiziert.

WONCA Europe: Die europäische Definition der Allgemeinmedizin
Die europäischen Definitionen der Schlüsselelemente der Allgemeinmedizin, der Rolle der*des Ärztin*Arztes für Allgemeinmedizin und der Kernkompetenzen der*des Hausärztin*Hausarztes, publiziert von der Europäischen Gesellschaft für Allgemeinmedizin WONCA.